Wenn es Dir beim Gedanken an ein Bier kalt den Rücken runterläuft, Du Gänsehaut und ein flaues Gefühl im Magen bekommst, dann keine Sorge. Du hast wahrscheinlich weder eine Bier-Allergie, noch andersartige Geschmacksnerven. Ganz im Gegenteil… Alles ist in bester Ordnung. Nun, da Bier aber, nach Tee und natürlich Wasser, an dritter Stelle der Getränkeliste steht, ist die Frage, warum einige Leute eine Abneigung gegen Bier haben, durchaus berechtigt. Denn, genaugenommen, gibt es (mit ganz wenigen Ausnahmen) eigentlich keine Abneigung gegen Bier als solches. Trotzdem ist die riesige Gemeinde an biertrinkenden Männern der latenten Überzeugung, dass Frauen Bier halt weniger mögen als Männer. Viele berufen sich dabei auf den Klassiker: Die Dame, welche ihre Bierabstinenz damit erklärt, dass ihr Bier viel zu bitter sei, während sie genüsslich an ihrem Espresso nippt. Aber da unsere Geschmacksnerven nicht wirklich zwischen espresso-bitter und bier-bitter unterscheiden können, sondern vielmehr nur zwischen bitter und nicht bitter, muss der Hund wohl woanders begraben sein.

Also… warum mögen einige kein Bier?

Bier beinhaltet zwei Elemente, gegen die der Mensch im Zuge der Evolution eine Abneigung entwickelt hat. Bitterkeit und kalte Getränke. Beides ist genetisch bedingt, also wie unser Gehirn bittere und kalte Nahrung, flüssig oder fest, verarbeitet.

Irgendwann sind unsere frühen Vorfahren von ihren Bäumen runtergeklettert und haben sich umgesehen, was es dann hier unten so alles zu futtern gäbe. Und die Erkenntnis war trivial… Alles was wegrennt, kann man jagen und essen. Was nicht wegrennt, kann man zwar sammeln, aber noch lange nicht essen. Unsere Vorfahren haben Biss für Biss gelernt, dass Dinge, die süss, salzig und umami schmecken essbar sind, während Bitteres sofort ausgespuckt werden muss, da möglicherweise giftig. Sauer geht in Richtung Bitteres, spielt aber für unser Thema keine Rolle.

Im Verlaufe der Evolution haben unsere Vorfahren spezifische Geschmacksnerven entwickelt, die ihnen das Überleben erleichtern. Dabei ist es entscheidend, einen Geschmack sofort zu erkennen, die Daten sofort ans Gehirn zu senden und reflexartig eine Reaktion auszulösen. Heisst im Klartext, dass es herzlich wenig bringt, wenn ich erst minutenlang etwas kauen muss, um festzustellen, dass es bitter ist, denn möglicherweise würde ich die Erkenntnis nicht überleben, da giftig.

Salziges ist beispielsweise essbar. Deshalb ist es nicht überlebenswichtig, diesen Geschmack möglichst schnell zu erkennen und eine heftige Reaktion auszulösen. Bei Bitterem sieht es hingegen anders aus. Während der Mensch lediglich zwei Rezeptoren für Salziges auf der Zunge hat, wird Bitteres von 25 Rezeptoren erkannt. Kein Wunder also, reagiert der Mensch auf Bitteres sehr empfindlich.

Und was hat das alles mit unserem liebsten Getränk zu tun?

Die Sache ist die… Wenn wir, jeder von uns, egal ob Mann oder Frau, das erste Mal einen Schluck Bier oder Kaffee trinken, dann senden unsere 25 Rezeptoren ein Warnsignal ans Gehirn: «Achtung bitter, ist giftig, sofort ausspucken». Da unser Verstand uns aber sofort nach Erhalt des Warnsignals mitteilt, dass es sich nicht um eine giftige Pflanze, sondern um ein Bier handelt, wiederstehen wir dem instinktiven Ausspuck-Reflex, schlucken möglichst schnell und befreien damit unsere Rezeptoren auf der Zunge von diesem schrecklichen Geschmack.

Aber wie kommt es, dass die meisten Bierliebhaber gerade den etwas bitteren Geschmack nicht nur schätzen, sondern gerade deswegen Bier trinken? Auch dafür gibt es eine ganz einfache biologische Erklärung: Gewöhnungssache. Anders ausgedrückt, wir lernen buchstäblich Schluck für Schluck und Glas für Glas, Bier zu trinken. Respektive wir programmieren uns um… Aus dem ursprünglichen Signal «ausspucken ist giftig» wird ein neues Signal «nicht giftig, sondern lecker».

Nach einigen wenigen Bieren sind unsere 25 Geschmacksrezeptoren fit und freuen sich bereits auf das nächste Bier, denn unsere Zunge hat sich daran gewöhnt und unser Gehirn weiss, dass Bier bitter ist, aber nicht giftig ist und gut schmeckt.

Nun ist zwar klar, weshalb der Mensch eine ganz natürliche, genetisch bedingte Abneigung gegen alles Bitter, wie Kaffee, Bier, etc. hat und, dass sich diese Abneigung in Zuneigung umgewöhnen lässt. Aber wie steht es mit dem Vorurteil, dass mehr Frauen kein Bier mögen, als Männer? Viele Kunden sagen mir, dass sie Bier und insbesondere Craft-Bier eine sehr spannende Sache finden, aber unglücklicherweise Bier nicht mögen. Und ja, rein subjektiv, würde ich sagen, dass die Mehrheit davon wahrscheinlich Frauen sind. NUR, mit dem Geschlecht einer Person hat dies herzlich wenig zu tun, sondern vielmehr mit deren sozialem Umfeld.

Etwas schwarz/weiss ausgedrückt… In vielen Fällen wird das erste Bier unter Freunden getrunken oder aber man darf mal am Glas des Vaters nippen. Zwar schmeckt es keinem, doch während Frauen viel eher sagen, dass sie es scheusslich finden und auf Alkopop oder Longdrinks ausweichen, würgen es die Jungs oft runter und machen auf «was Papa kann, kann ich schon lange». Und bereits nach einigen Bieren unter Freunden mögen sie Bier. Viele Frauen wollen sich kein zweites Mal antun und bleiben bei Alkopops oder Longdrinks, denn die sind ja eher süss und kommen somit unseren Geschmacksrezeptoren sehr entgegen. Süss ist ja, aus genetischer Sicht, bekanntlich essbar und nicht giftig.

Man mag nun einwenden, dass der beschriebene Gewöhnungseffekt nicht immer stattfindet. Nun ja, da mag was dran sein, denn wenn jedes Schaltjahr ein Bier runtergewürgt wird, kommt man zwangsläufig immer zum gleichen Schluss: Schmeckt immer noch scheusslich. Wer Bier, überspitzt gesagt, nur alle paar Monate mal probiert, bei dem kann zwangsläufig keine Gewöhnung stattfinden, da der Zeitraum zwischen zwei Bieren zu lange ist.

Abgesehen von der natürlichen Abneigung gegen Bitteres, muss auch gesagt werden, dass jedes Bier, auch ein Lager, relativ komplex ist. Neben der Hopfenbittere sind da auch süssliche Aromen, die vom Malz stammen, sowie dezente säuerliche Noten durch die Gärung und die Hefe. Platt gesagt, jedes Bier veranstaltet ein kleines geschmackliches Feuerwerk, was bei einem Bier-Neuling sehr schnell zur Überforderung des Gaumens führt. Da ist es wirklich wie beim Sport. Etwas Training kann nicht schaden, bevor man den ersten Marathon in Angriff nimmt. Und ebenfalls wie beim Sport, stellen sich die ersten Höhenflüge und das Geniessen erst nach dem dritten oder vierten Mal ein.

Abschliessend noch mein Tipp an alle, die die Craft-Bier Szene und die Bierkultur zwar spannend finden, aber sich das Angewöhnen nicht oder nur ungern antun wollen. Esst zusammen mit dem nächsten Bier etwas Süsses oder verdrückt ein paar Salznüsse. Beides, Süsses und Salziges, schaltet die Rezeptoren für Bitteres nahezu aus. Und für alle Kalorienbewussten sei an dieser Stelle auch gesagt, dass es keine ganze Schachtel Pralinen braucht, nur um ein Bier zu trinken. Zwei bis drei Stück tun’s auch.

Cheers an alle bestehenden und künftigen Craft-Bier Lovers.

Drinks of the World